Was kann die Linke leisten?

Created: 2021-09-28 Updated: 2021-10-01

Description: Ich stelle ein paar der Leistungen der Linken in Thüringen vor und spreche die Themen an, die meiner Ansicht nach noch nicht von der Linken umgesetzt worden sind.

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Quellen

A1: https://wahlen.thueringen.de/datenbank/wahl1/wahl.asp?wahlart=LW&wJahr=2019&zeigeErg=Land

A2: https://www.bundeswahlleiter.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2021/50_21_vorlaeufiges-ergebnis.html

A3: Rede von Heike Werner auf dem Landesparteitag in Sömmerda, https://www.youtube.com/watch?v=f3-KNO5I0fo

A4: Verordnung über Qualitäts- und Strukturanforderungen nach § 4 Abs. 3 des Thüringer Krankenhausgesetzes (ThürQSVO) Vom 7. Dezember 2016, https://www.landesrecht.thueringen.de/bsth/document/jlr-QualStruktKHVTHpP2

A5: "Keine Abstriche bei der Pati­en­ten­si­cher­heit", https://www.tk.de/presse/themen/medizinische-versorgung/krankenhausversorgung/facharztquote-thueringen-2091034?tkcm=ab

A6: Für mich wird das durch die gescheiterten Gebietsreformen in Brandenburg und Thüringen deutlich, die auf ein fehlendes Vertrauen der Bevölkerung zurückgeführt werden können. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-11/kreisgebietsreform-brandenburg-ostdeutschland-abwanderung-d17, https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/gebietsreform-thueringen-116.html

A7: http://www.die-linke-thueringen.de/fileadmin/LV_Thueringen/dokumente/parteitage/Initiativantrag_Kommunalwahlprogramm.pdf

A8: Die Linke Thüringen hat auf ihrer Kommunalpolitikseite kaum Informationen zu aktuellen Projekten und ich konnte zu konkreten politischen Entscheidungen nur wenige Informationen finden (https://www.die-linke-thueringen.de/politik/kommunal/). Die Grünen haben dagegen zumindest aktuelle Leitlinien herausgearbeitet und versuchen, sich für eine Entwicklung durch klar definierte Projekte stark zu machen: https://www.gruene-thl.de/node/7531

A9: Aktuelle Vorstöße wie zum Beispiel der Antrag auf "Weitere Stärkung und Entwicklung der Digitalisierung des Thüringer Schulwesens" (https://parldok.thueringer-landtag.de/ParlDok/dokument/76458/weitere_staerkung_und_entwicklung_der_digitalisierung_des_thueringer_schulwesens.pdf, https://www.die-linke-thl.de/fileadmin/lv/plenarreden/2021/re705403.pdf) geht nicht auf eigene Zielsetzungen, sondern vordergründig auf einen bundesweiten Trend aufgrund der Corona-Pandemie zurück. Dieser Antrag zeigt ebenfalls auf, dass sich in der Regierungszeit nicht so viel getan hat, da die Forderungen auch bereits 2014 möglich gewesen wären.

A10: http://henry.herkula.info/manifest-einer-wissenschaftlichen-partei

Thumbnail: Claude Monet, "Adolphe Monet Reading in the Garden", 1866

Transkript

Als Wähler einer sozialen und den Problemen angepassten Politik habe ich mich in den vergangenen Tagen ein wenig mit der Linken aus Thüringen beschäftigt. Ich habe mir für diese Untersuchung Thüringen ausgesucht, da die Linke hier seit 2014 den Ministerpräsidenten stellt und sie bei der vergangenen Landtagswahl 2019 die Partei mit den meisten Stimmen gewesen ist [A1], sodass sie hier beweisen konnte, wie sie ihre Zeit als Regierungspartei genutzt hat. Darüber hinaus spreche ich über die Linke, weil sie in der Bundestagswahl 2021 stark verloren hat [A2], obwohl sie das meiner Ansicht nach beste Programm für eine gemeinsame Zukunft vorgelegt hat. Dieses Unverhältnis hat mich dazu angeregt, stärker nachzuprüfen, woher meine positiven Einstellungen gegenüber der Linken stammen und ob ich konkrete Ansatzpunkte dafür in der linken Regierungsarbeit in Thüringen ausmachen kann.

Auf dem Landesparteitag 2021 hat die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familien von Thüringen, Heike Werner, als Auftakt die wesentlichen Errungenschaften der Regierungszeit der Linken aufgelistet. [A3] Die Liste umfasst dabei folgende aus der eigenen Perspektive geschilderte Leistungen (geordnet nach meiner eigenen Einschätzung über die Wichtigkeit):

Grundsätzlich stehe ich hinter vielen dieser Entscheidungen und halte sie für lobenswert und gut. Gerade die Facharztquote ist meiner Ansicht nach ein großer Gewinn. [A4] Diese schreibt vor, mit wie vielen Fachärzten eine Abteilung mindestens betriebsfähig ist und hindert damit zumindest theoretisch Krankenhäuser daran, aufgrund von Kostenerwägungen Stellen einzukürzen und damit die Gesundheit von Patienten und Ärzten zu gefährden. [A5]

Was mir an dieser Stelle jedoch fehlt, ist eine Beurteilung dieser Leistungen anhand von klaren Kriterien. Hilft zum Beispiel das neue Familienförderungsgesetz nun wirklich? Und wie lässt sich überhaupt überprüfen, ob ein Gesetz erfolgreicher als das vorherige ist? Oder was ist mit dem Klimaschutzgesetz oder dem Hochschulgesetz? Lösen sie die Probleme, schaffen sie neue, wie kann man das feststellen? Aus der Perspektive des Gesetzgebers ist jeder abgeschlossene Gesetzgebungsprozess ein Erfolg, da eine anstrengende Ausarbeitung erfolgreich beendet wurde. Doch aus der Perspektive eines Betroffenen ist jedes Gesetz ein nicht überprüfbares Risiko, das reale Folgen nach sich zieht, die über die Verteilung von Ressourcen hinausgehen.

Aus dieser unangenehmen Situation heraus ergibt sich eigentlich ein Medien- und ein Wissenschaftsauftrag zur Recherche und Erforschung der fehlenden Informationen. Es müsste herausgefunden werden, ob die Veränderungen nicht nur Sachen kaputtmachen (was schnell sichtbar wird und worüber dann auch berichtet wird), sondern ob sie auch wirklich etwas verbessern. Da dieser mühsame Weg aber Zeit und Geld kostet, ist es immer ein wenig schwierig, die Notwendigkeit dieser Art von wissenschaftlichem Journalismus zu rechtfertigen. Wer aber dennoch gute Zusammenfassungen kennt, kann sie gern in die Kommentare schreiben.

Unabhängig davon, was die Linke in Thüringen erreicht hat, ist für mich jedoch bemerkenswert, was sie nicht erreicht hat. Dahingehend habe ich eine kleine Liste mit den Dingen zusammengestellt, zu denen ich bisher noch nichts finden konnte, die ich aber für wichtig in der zukünftigen Politik erachte. Ich habe diese Liste in realpolitische und idealistische Erwägungen unterteilt, da nicht jede Überzeugung immer sofort dem derzeitigen politischen Geschehen angemessen ist. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass alle Themen ihre Relevanz besitzen und für die Zukunft bedacht werden müssen.

Zu den realpolitischen Erwägungen gehören für mich eindeutig mehr Initiativen für die Landbevölkerung, die sich auch konkret an diese wenden, entweder durch Projektsubventionen oder einen klar durchdachten Strukturwandel. Denn durch die allmähliche Verstädterung gibt es für Menschen auf dem Land keine klare Zukunft und es verbreitet sich ein Gefühl des Abgehängtseins und Vergessenwerdens [A6]. Die Linke arbeitet natürlich mit den Landkreisen zusammen. [A7] Aber die gemachten Angebote sind zu wenig sichtbar und ich persönlich habe kaum etwas dazu gefunden. [A8]

Zweitens fehlt für mich eine klare Positionierung zu einer digitalen Gesellschaft. Die Linke in Thüringen hat keine Fortschritte in der Digitalisierung gemacht, weder was Bildung noch Bürokratie anbelangt. [A9] Gerade aber auch die Auseinandersetzung mit der jüngeren Generation ist dabei ausgeblieben. Es werden kaum Angebote gemacht, wie sich jüngere Menschen mit ihren eigenen Ideen einbringen können. Und das halte ich für eine verschenkte Gelegenheit.

Andere realpolitische Erwägungen wären konkrete Umsetzungen von klar ausformulierten, größeren Infrastrukturprojekten (zum Beispiel die Ziele: ausfallsichere Bahnnetze, eine nachhaltige Landwirtschaft und eine klimaverträgliche Industrie), aber auch Überlegungen für lokale Betriebe zur Globalisierung (wie können diese zum Beispiel international konkurrenzfähig gemacht werden) und natürlich auch der Klassiker der Linken: die Besteuerung von großen Einkommen und Vermögen.

Idealistische Erwägungen besprechen die in der derzeitigen politischen Lage weniger wahrscheinlichen Zielsetzungen, die ich aber dennoch für sehr wichtig erachte. Dies beinhaltet zum Beispiel das Ziel, Zukunftsperspektiven für die Menschen zu schaffen, die durch Automatisierung und Digitalisierung ihre Arbeit verlieren oder bereits verloren haben. Darüber hinaus braucht es meiner Ansicht nach ebenfalls eine bessere Kommunikation für mehr Toleranz für das Individuum, das in seiner Freiheit ein glückliches Leben anstrebt. Dabei sollten Menschen darin bestärkt werden, dass dieses Glück mit der Linken umsetzbar ist und es nicht von ihnen auf eine bestimmte Weise erzwungen wird.

Für mich selbst ist aber auch die stärkere Auseinandersetzung mit dem Entscheidungsprozess auf wissenschaftlicher Basis [A10] und mit den moralischen Problemen der Gesellschaft relevant: Welches Menschenbild möchte man überhaupt vermitteln? Wie lässt sich ein Ausgleich zwischen Sicherheit und Privatsphäre finden? Welche gesellschaftlichen Konzepte schaden dem Menschen? Ist Bildung ohne Selektion möglich? Wie lassen sich gesellschaftliche Institutionen wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen entlasten und damit zusammenhängend: wie bekämpft man die Folgen des Alterns? Aber auch: Wie lässt sich eine Gesellschaft ohne erzwungene Arbeit umsetzen, in denen die Menschen glücklich füreinander da sind und sich gegenseitig unterstützen?

Sowohl die realpolitischen als auch die idealistischen Erwägungen sollen unabhängig von der Linken und linker Politik zum Nachdenken darüber anregen, was man denn eigentlich überhaupt von der Politik erwartet. Es geht um die Frage, in was man für einer Welt leben möchte, wenn man davon ausgeht, dass ihre Ressourcen begrenzt sind. Nur wenn einem das bewusst ist, kann man letztendlich auch dafür eintreten, dass sich etwas in diese Richtung verändert. Und ich hoffe darauf, dass uns dies allen zusammen gelingt.