Bogost 2008
Full Title: | Unit Operations. An approach to videogame criticism |
Status: | finished |
Ziel
Das Buch versucht eine Verbindung zwischen den Literaturwissenschaften und der Philosophie auf der einen Seite und der Programmierung und dem Computerspieldesign auf der anderen Seite zu schaffen. Dabei wird davon ausgegangen, dass beide Seite gemeinsame Prinzipien besitzen, die in dem Buch näher ausgeführt werden sollen.
Eine Analysemethode hilft dabei, die Probleme der Welt zugänglich zu machen und die richtigen Werkzeuge für ihre Lösung zu entdecken.
Konzepte
- Units of expressing meaning: Bogost argumentiert dafür, dass jedes Ausdrucksmittel eine Anordnung von Bedeutungseinheiten ist, die mit verschiedenen Ansätzen analysiert werden können. Er hat den Begriff Einheit gewählt, da dieser keine Zuordnung zu einem bestimmten Feld besitzt und eine Assoziation als Bauelement einer größeren Sache besitzt. Dabei ist für ihn wichtig, dass die Bedeutungselemente als abgrenzbare, materielle Sachen verstanden werden, die näher untersucht werden können. Dies beinhaltet in besonderer Weise die Verkörperungen von Emotionen, kulturellen Symbolen, Unternehmensprozessen und subjektiven Erfahrungen (S. 5). [Für mich ist diese Beschreibung hervorragend, da sie sich darum bemüht, die Eigenschaften einer übergeordneten Vorstellung eines Ausdrucksmittels näherzukommen.]
- Unit operations: "Unit operations are modes of meaning-making that privilege discrete, disconnected actions over deterministic, progressive systems" (S. 3) - Bogost scheint hier die Beschreibung von Bedeutungserzeugung anhand der Anordnung von Komponenten als voneinander unabhängiger Teile, die zu einem Bedeutungssystem zusammengefügt werden können, der übergeordneten Vorstellung eines zusammengehörigen Systems zu bevorzugen. Er macht dies anhand verschiedener Beispiele deutlich: ein Netzwerk an verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten im Gegensatz zu einer einzigen autoritären Perspektive in der Analyse von literarischen Texten; Objektorientierung gegenüber strukturierter Programmierung; DNA-Analysen gegenüber der Evolutionstheorie.
- Unit analysis: "Unit analysis is the name I suggest for the general practice of criticism through the discovery and exposition of unit operations at work in one or many source texts." (S. 15) Indem sich Elemente eines Werkes in ihrem unabhängigen Ablauf voneinander angeschaut werden, wird ein Vergleich zwischen ihnen ermöglicht, der andere Verständnisperspektiven ermöglicht. [Die Herangehensweise scheint sich von einer thesengeleiteten Analyse dadurch zu unterscheiden, dass hier ein Zusammenhang zwischen den Elementen eines Werkes zunächst ignoriert wird und sie für sich betrachtet werden, bevor ein Zusammenhang hergestellt wird. Ob das praktisch möglich ist, würde ich eher bezweifeln, da die Erfahrung der anderen Elemente immer mitschwingt und die Grenzen eines einzelnen Elementes nur durch die anderen Elemente bestimmt werden. Aber man kann es ja versuchen, um vielleicht eine andere Perspektive zu erreichen.]
Notizen
- Die Beschreibungen der Konzepte sind für mich am Anfang schwierig zu fassen, da sie sehr autoritär ausformuliert sind, ohne übermäßig auf alternative Perspektiven einzugehen und sich davon abzugrenzen. Es wird der Versuch unternommen, einen Unterschied zwischen den Begriffen Einheit und System zu etablieren, indem ausformuliert wird, dass Systeme große Erklärungskonzepte sind, die perspektivisch Einheiten regulieren, während Einheiten kleinere Manifestationen von Bedeutungen sind, die miteinander eine Beziehung eingehen, die besser untersucht werden kann (S. 5-7).
- Bogost führt eine bestimmte Verwendung von narrativ als lineares Voranschreiten an (S. 19), im Gegensatz zu der im Beispiel genutzten prozeduralen Aufteilung von nicht-kohärenten Szenen. Ich halte dies für eine merkwürdige Aufteilung, da auch nicht-lineare Handlungen existieren (jegliche Rückblenden oder konzeptuell zum Beispiel "Memento", 2000). Darüber hinaus gibt es auch möglicherweise als prozedural aufgefasste lineare Narrative: Fernsehserien sind ein klassisches Beispiel für Werke, die unabhängig voneinander betrachtet werden können, aber lineare Entwicklungen von Charakteren beschreiben können.
- Bogost kritisiert Frans Mäyräs drei Thesen über Computerspielwissenschaften als "essentialist and doctrinaire" und behauptet, dass sie isolationistischen Tendenzen sowie einer Überhöhung des Spielerischen über das Literarische bevorzugen. (S. 53) [Ich stimme mit dieser Einschätzung nur teilweise überein, da ich lediglich die dritte These für übertrieben erachte. Diese behauptet, dass bildungsorientierte und forschende Praktiken den spielerischen Qualitäten treu bleiben müssen. Ich verstehe nicht, warum Forschung spielerischen Qualitäten treu bleiben muss, da Forschung ja keine negativen Konsequenzen besitzt, wenn sie diesen nicht treu bleibt.]
- Bogost führt Game Engines als Beispiel dafür an, wie Computerspiele an bestehende Elemente anschließen und damit eine viel stärkere Genealogie als andere Medien besitzen können. (S. 58ff)
- Mehr und mehr Kapitel über verschiedene Aspekte der Auseinandersetzung mit Computerspielen, ohne jedoch ein übergeordnetes System zu verfolgen, das seine anfänglichen theoretischen Überlegungen der Elementanalyse erweitert.
- Das Buch schafft es meiner Ansicht nach nicht, seine Zusammenstellung von Spieltheorien zu einem kohärenten Ganzen zu verbinden. Die Argumentation bleibt häufig sehr vage oder abseits der eingeführten Konzepte. Dabei sticht besonders heraus, dass die Argumentation keine der möglichen Gegenpositionen analysiert, sodass der Leser nicht wirklich weiß, was die Elementanalyse zu mehr als nur einer weiteren möglichen Perspektive macht.