Shifman 2014
Full Title: | Meme: Kunst, Kultur und Politik im digitalen Zeitalter |
ref-id: | X3DTU5T2 |
Show creator | Shifman |
All creators | Shifman, Limor (author) |
Title | Meme: Kunst, Kultur und Politik im digitalen Zeitalter |
Show date | 2014 |
Type name | book |
Ziele (S. 163)
- Internetmeme sollen ernstgenommen werden
- der Membegriff ist relevant und hilft beim Verstehen von gegenwärtigen Verhaltensweisen
- Internetmeme sollen als Gruppen von Einheiten mit ähnlichen Eigenschaften verstanden werden, damit sowohl Gruppen als auch Individuen untersucht werden können
- viral und memetisch sind nicht deckungsgleich: die Eigenschaften, die uns dazu veranlassen, ein bestimmtes Video oder Foto zu teilen, unterscheiden sich von denen, die uns dazu veranlassen, es nachzuahmen oder remixen
- Internetmeme spielen eine Schlüsselrolle bei politischer Teilnahme
Konzepte
- Hypermemetische Logik: das Interesse daran, kulturelle Produkte im Internet zu replizieren
- Ein Internetmem ist "(a) eine Gruppe digitaler Einheiten, die gemeinsame Eigenschaften im Inhalt, in der Form und/oder Haltung aufweisen, die (b) in bewusster Auseinandersetzung mit anderen Memen erzeugt und (c) von vielen Usern im Internet verbreitet, imitiert und/oder transformiert wurden." (S. 44)
Zusammenfassung
Einleitung
- Warum sind manche Kulturprodukte erfolgreicher als andere? Sie sind Meme!
- "Im umgangssprachlichen Diskurs der Netzbürger wird das Etikett 'Internetmem' gemeinhin verwendet, um die Verbreitung von Einheiten wie Witzen, Gerüchten, Videos und Websites von Mensch zu Mensch über das Internet zu beschreiben." (S. 10)
- Verschmelzung verschiedener kultureller Phänomene, entstehende Intertextualität
- Überbrückung von skeptischem akademischem Diskurs und enthusiastischem populären Diskurs
- "Die Internetnutzer sind hier an etwas Wichtigem dran, und die Forschung sollte ihnen folgen." (S. 12)
- Durch das Internet können sich Menschen schneller austauschen und ermöglichen eine Synchronisation ihrer Erfahrungen, die vorher nicht ohne Weiteres möglich gewesen ist.
Kurze Biographie eines begrifflichen Unruhestifters
- Bei Dawkins1: "Wie die Gene sind auch Meme definiert als Replikatoren, die Variation, Konkurrenz, Selektion und Retention durchlaufen. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt kämpfen viele Meme gleichzeitig um die Aufmerksamkeit von Wirten; doch nur Meme, die zu ihrem soziokulturellen Umfeld passen, verbreiten sich erfolgreich, während andere aussterben." (S. 16)
- Mem stammt vom griechischen Wort mimema "etwas Nachgeahmtes", Dawkins kürzt es auf Mem, damit es sich mit Gen reimt
- Heylighen und Chielens beschreiben Memetik: "theoretische und empirische Wissenschaft, die Replikation, Verbreitung und Evolution von Memen untersucht" (S. 17)
- Problematische Diskussionen:
- Analogie zur Biologie: Meme als Krankheitserreger, bei denen der Mensch keinen Einfluss ausübt - dies wird hinterfragt, da Menschen einen Einfluss haben können; Meme werden direkt mit Genen verglichen und alle Begrifflichkeiten werden übernommen: manche Begriffe sind nicht anwendbar, sodass es zu Problemen kommt
- Wer ist der Boss?: Entweder bestimmen Meme unsere Handlungen, um sich zu verbreiten; oder wir haben aufgrund unserer Persönlichkeit Anteil an der Verbreitung
- Dieses Buch setzt auf Rosaria Contes Vorschlag: Menschen sind Akteure bei der Verbreitung von Kultur; darauf aufbauend spielt Intention möglicherweise eine Rolle, aufgrund des Anpassungsprozess der Meme
- Unterscheidung in der Memetik zwischen Langlebigkeit und kurzzeitigen Trends
Wenn Meme digital werden
- Das Internet ermöglicht die Erfüllung der Eigenschaften für erfolgreiche Meme von Dawkins: Langlebigkeit, Fruchtbarkeit, Wiedergabetreue. Digitalisierung ermöglicht 1-zu-1-Kopien für eine Wiedergabetreue; das Internet ist für viele erreichbar, sodass sich ein einzelnes Mem in einer Zeiteinheit schneller verbreiten kann und die Archivierbarkeit von digitalen Elementen, ermöglicht eine unbegrenzte Haltbarkeit (S. 22)
- "Zunächst einmal lassen sich Meme wohl am besten verstehen als Einheiten kultureller Informationen, die von Person zu Person weitergegeben werden, allmählich jedoch das Ausmaß eines gemeinsamen gesellschaftlichen Phänomens annehmen." (S. 23)
- Teilen als grundlegende digitale Aktion seit 2007 (nach Nicholas John)
- Imitation als zweite grundlegender digitaler Aspekt in Bezug auf Meme, Nachahmung und Bearbeitung von bekannten Kulturprodukten [ähnlich der Frage danach, warum man Parodien erstellt]
- Nachahmung als identische Reproduktion des Inhalts, Remix als Collage aus verschiedenen vorhandenen und neuen Elementen
- Drei Eigenschaften: Mikro-Makro-Fortpflanzun, Replikation durch Imitation, selektive Konkurrenz
- "In dem Versuch, herauszufinden, was Menschen dazu motivierte, das Mem ohne direkten Anreiz in Form einer Reaktion des eigenen Umfelds zu vervielfältigen, stellen Bjarneskans und seine Kollegen die These auf, dass diese Menschen bestrebt waren, einem Kreis von Individuen beizutreten, die 'sich gemeinsam über einn Witz amüsieren'." (S. 32)
- Drei Perspektiven auf die Logik des Hypermemetischen:
- ökonomiegetriebene: Die Vorstellung konzentriert sich darauf, dass Aufmerksamkeit die wichtgste Ressouce im Informationszeitalter ist: sehr leicht imitierbare Kulturprodukte können durch Nachahmung mehr Aufmerksamkeit bekommen, Nachahmungen können durch ihren Charakter als Nachahmung Aufmerksamkeit erhalten. So entstehen größere Chancen, dass ein Produkt bekannter und verwertbarer wird.
- gesellschaftliche: ein Selbst wird über Memes konstruiert, Gemeinschaftlichkeit wird duch Identifikation in Memen ermöglicht, vernetzter Individualismus
- kulturell und ästhetische: Meme sollten nicht nur auf ihre Inhalte, sondern auch auf ihre Praktiken untersucht werden, weil sie Ausdruck verschiedener gruppenspezifischer Verhaltensweisen sein können
Die Definition von Internetmemen
- Drei bisherige Definitionen:
- mentalistisches Mem: Meme sind Ideen oder Informationen, die im Gehirn ansässig sind. Es sind komplexere Verknüpfungen von einfachen Ideen wie rot, rund, kalt. Für die Weitergabe werden Meme auf verschiedene Vehikel geladen (Phänotype). Meme sind Ideenkomplexe, Memvehikel ihre konkreten Ausdrucksformen.
- behavioristisches Mem: Meme sind Verhaltensweisen, deren Inhalt und Form nicht voneinander zu trennen sind. Es wird immer als kodierte Information wahrgenommen. Meme werden meist konkret beschrieben.
- inklusiver memetischer Ansatz: Jede Information, die durch Imitation kopiert werden kann, sollte als Mem bezeichnet werden.
- weiterer Ansatz: Meme sind keine Einheiten, sondern Gruppen von inhaltlichen Einheiten, die mehrere memetische Dimensionen umfassen.
- Inhalt-Form-Haltungs-Unterscheidung: Inhalt ist die Idee, Form die physische Verkörperung der Botschaft, Haltung ist die Positionierung des Senders gegenüber dem Text, den Empfängern und weiteren Sendern
- Haltung ist eine neue Beschreibungskategorie, unterteilt in drei Abschnitte:
- wer darf sich beteiligen? - Partizipationsstrukturen (nach Susan Philips)
- Ton und Stil der Kommunikation - Keying (nach Erving Goffman)
- kommunikative Funktion (nach Roman Jakobson)
- Ein Internetmem ist "(a) eine Gruppe digitaler Einheiten, die gemeinsame Eigenschaften im Inhalt, in der Form und/oder Haltung aufweisen, die (b) in bewusster Auseinandersetzung mit anderen Memen erzeugt und (c) von vielen Usern im Internet verbreitet, imitiert und/oder transformiert wurden." (S. 44)
Meme versus Virals
- "Der Hauptunterschied zwischen Internetmemen und Virals bezieht sich also auf die Variabilität: Virals bestehen aus einer einzelnen kulturellen Einheit (beispielsweise einem Video, einem Foto oder einem Witz), die sich in vielen Kopien verbreitet. Demgegenüber ist ein Internetmem stets eine Sammlung von Einheiten. Man kann ein einzelnes Video ermitteln und sagen: "Das ist ein virales Video", ohne auf irgendein anderes Video zu verweisen, doch dies würde bei der Beschreibung eines Internetmems nicht allzu viel Sinn ergeben: Ein einzelnes Video ist kein Internetmem, sondern ein Teil eines Mems - eine bestimmte Manifestation aus einer Gruppe von Einheiten, die gemeinsam als Mem beschrieben werden können." (S. 56f)
- Unterscheidung in Viral, gründerbasiertes Mem und egalitäres Mem
- Viral: eine Version, Konzentration der Beliebtheit auf das Original, Nutzerbeteiligung: Metakommentare
- Gründerbasiertes Mem: viele Versionen, ein Kulturprodukt, das das Mem ausgelöst hat, ist am beliebtesten, Nutzerbeteiligung: Veränderung der Einheit
- Egalitäres Mem: viele Versionen, Beliebtheit verteilt sich recht gleichmäßig über die zahlreichen Versionen; Nachahmer beziehen sich auf ein bestimmtes Muster, Veränderung der Einheit
Viraler und memetischer Erfolg: Ein Erklärungsversuch
- Welche Eigenschaften verstärken die Verbreitung von Internetmemen?
- Die Antwort hat zwei Teile: 1. Viralität, 2. Memetische Qualität
- Viralität (Erkenntnisse von Berger und Milkman):
- Positivität: positive Geschichten werden häufiger geteilt, als negative, da sie zur Selbstdarstellung anderen ein gutes Gefühl geben wollen und demnach anderen signalisieren, dass sie gute Verbündete darstellen
- Provokation "hocherregender" Emotionen: [nach Nerdcore: Outrage] "Die Verbrechen, die [...] geschildert wurden, waren so abscheulich, so schockierend und so extrem, dass es nahezu unmöglich war, nach dem Betrachten gleichgültig zu bleiben." (S. 66)
- Packaging: klare und einfache Nachrichten verbeiten sich besser als komplexe
- Prestige: Je berühmter der Verfasser, desto wahrscheinlicher wird etwas verbreitet.
- Positionierung: Die richtigen Weiterverbreiter und die richtige Stelle für die Verbreitung finden: "In manchen Fällen sind die Kräfte, die den viralen Prozess entfachen, gut positionierte und organisierte Akteure." (S. 69) [Influencer]
- Partizipation: Benutzern die Möglichkeit geben, etwas zu machen, um weitere Menschen auf das Kulturprodukt hinzuweisen
- Memetik (nach Shifman, 30 untersuchte Memes)
- Gewöhnliche Menschen: Nutzergenerierte Beiträge haben eine größere Wahrscheinlichkeit Nachahmungen hervorzurufen. Normalität betonen. Einfachere Produktion und somit einfacher zu imitieren.
- Brüchige Männlichkeit: Gescheiterte Männlichkeisideale werden als komisch dargestellt, haben Ähnlichkeiten zu TV-Sitcoms, die sich gegen die hegemonielle Macht von Männern stellen
- Humor: Humorvolle Meme erzeugen ein positives Eigengefühl und erhöhen die Motivation, selbst tätig zu werden: Verspieltheit: Aufforderung der Nutzer, am Spaß teilzunehmen; Inkongruenz: akustische und visuelle Bestandteile des Videos passen nicht zusammen; Überlegenheit: Lachen zeigt unsere Überlegenheit gegenüber des Dargestellten
- Einfachheit: Der Inhalt ist sehr einfach gehalten, sodass er schnell geteilt und verarbeitet werden kann.
- Wiederholung: Der Inhalt wird die gesamte Zeit über verstärkt, sodass ein konkreter Aspekt stärker hervorstechen kann.
- Skurrile Inhalte: Meist keine alltäglichen Themen, sondern Popkultur verbunden mit merkwürdigem Verhalten; da man sonst Benutzer verprellen könnte.
- virale und memetische Förderer sind nicht deckungsgleich
Memgenres
Ich gehe nicht näher auf die einzelnen Kategorien ein, da diese auch unter Know Your Memes aufgerufen werden können, falls mehr Fragen entstehen.
- Photoshopreaktionen
- Fototrends
- Flashmob
- Lipsync
- Verhörer
- Neu zusammengeschnittene Trailer
- LOLCats
- Stock Character Macros
- Rage Comics
Möge die unverhältnismäßige Macht mit dir sein: Meme als politische Partizipation
Hier werden Beispiele für Meme im politischen Kontext besprochen. Besonders die Occupy-Bewegung und ihr "We are the 99%"-Ausspruch.
Wenn Internetmeme sich global ausbreiten
Dieses Kapitel geht darauf ein, wie Meme nicht mehr geografisch gebunden sein müssen, sondern sich über das Internet beliebig verbreiten können.
Zukünftige Richtungen der Internetmemforschung
- Die Politik der memetischen Partizipation
- Internetmeme als Sprache:: zweite Ebene der Sprache
- viraler und memetischer Erfolg: weitere Eigenschaften erkunden, die zum Erfolg von Memen führen